Pflegerecht

Fünfte Säule des Sozialversicherungssystems

Der Pflegebedürftikeitsbegriff hat seit seiner Einführung der Pflege in das Recht des SGB XI mit seiner Definition und Beschränkungen der Verrichtungen auf

  • die Körperpflege
  • Ernährung
  • Mobilität und
  • hauswirtschaftliche Versorgung

zu Recht heftige Kritik erfahren.

Die allenthalben geübte und kritisierte Begutachtungspraxis auf minutengenaue Fest-stellungen der einzelnen Tätigkeiten bei der Pflege und der absehbare Pflegenotstand verdichteten die Problematik. Dabei hatte und hat die Pflege schon immer nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erfolgen.

In einem Land, in dem die Bevölkerung überaltert und die Zahl der Neugeborenen dies nicht kompensieren kann, zudem die Familien oft weit auseinander leben, ist der Staat gefragt.

Dementsprechend traten in den Jahren zwischen 2008 bis 2017 eine Kaskade von Verbesserungen in weiterführenden Pflegeneuausrichtungs- und drei Pflegestärkungsgesetzen[1] in Kraft.

In den erstgenannten Gesetzen wurden bereits die Weichenstellungen hinsichtlich der Leistungserweiterung in das SGB XI vorgenommen. Das erste Pflegestärkungsgesetz entwickelte Regelungen der Dynamisierung und Flexibilisierung der Leistungen weiter. Erforderlich war es, dass Menschen, die in der Alltagskompetenz eingeschränkt sind, die gleichen Ansprüche haben, wie die sonstigen körperlich erkrankten Menschen ; sodass sie nunmehr die ebenfalls Pflegegeld oder Sachleistungen erhalten können.

Auch der Pflegebedürftigkeitsbegriff   –   Neu (geregelt in §§ 14, 15 SGB V)   –   ist grundlegend modifiziert worden.

Die Schwere und der Grad der Pflegebedürftigkeit sind neu geregelt. Die Begutachtungsverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gestalteten sich daher zunächst schwierig. Viele Patienten hatten noch nach altem Recht eine Höherstufung z.B. von Pflegestufe 1 in Pflegestufe 2 gestellt, deren Begutachtung mit Inkrafttreten des neuen Rechte 1.1.2017 noch nicht abgeschlossen war. Dies hat sich jedoch in der Praxis nicht als nachteilig erwiesen.

Die alten Pflegestufen wurden nämlich ab 01.01.17 in Pflegegrade geändert, wobei die drei Pflegestufen in 5 Pflegegrade geändert wurden. Pflegestufe 1 wurde Pflegegrad 2  u.s.w. Bestand dann noch eine Einschränkung der Alltagskompetenz resultierte Pflegegrad 3. Der letzte Pflegegrad 5 betrifft Härtefälle.

Nach dem sogenannten Stufensprung steht den Pflegebedürftigen kein geringerer Leistungsanspruch zu, als demjenigen, in den sie bereits eingestuft waren.

Es wurde ein neues Begutachtungsassessment eingeführt. Die Gewichtung der Einzelfeststellung erfolgt in den einzelnen Modulen mit Hilfe einer mehrschrittigen Berechnungsmethode.

Die Module bestehen aus:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung u. selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen, Gestaltung des Alltagslebens + soziale Kontakte.

die unterschiedlich gewichtet werden.

Der Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung spielt keine Rolle mehr. Letztlich ist dieser Bereich dann bei der „Selbständigkeit und Selbstversorgung“ zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob eine Person, die körperliche oder psychische Schädigungen hat, Beeinträchtigungen körperlicher oder kognitiver oder psychischer Funktionen hat, die sie nicht mehr selbständig kompensieren oder bewältigen kann und dauerhafter Hilfe bedarf.

Die Einstufung erfolgt nach Punkten je nachdem ob nur eine geringe Beeinträchtigung vorliegt bis zu schwersten Beeinträchtigungen.

Das Pflegegeld wurde in den einzelnen Pflegegraden merklich erhöht. Kritikwürdig ist aber nach wie vor, dass wesentlich höhere Leistungen gewährt werden, wenn die zu Pflegenden in einem Pflegeheim untergebracht sind oder der Pflegedienst die Verrichtungen tätigt, während die Angehörigen und zwar hier die Frauen, die immerhin einen Großteil der Pflege in Deutschland leisten, mit wesentlich geringeren Leistungen auskommen müssen.

Zu erwähnen sind noch die Zusatzleistungen: Es wurde ein einheitlicher Entlastungsbetrag mit 125 € festgesetzt, der die Möglichkeit zur Entlastung im Alltag eröffnet.

Die Pflegeberatung wurde durch die Pflegestützpunkte stark ausgebaut § 7 a und 7 b SGB XI.

Es erfolgen halbjährlich abzurufende Beratungsbesuche, wenn kein Pflegedienst mit in der Pflege eingeschaltet ist.

Die Regelungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes und die Finanzierung von Pflegehilfsmittel haben sich nicht verändert. Diese werden vom Pflegegutachter mit der Begutachtung empfohlen.

Die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für die Behandlungspflege § 15 Abs. 5 SGB XI, die nach wie vor über die Krankenkasse und nicht über die Pflegekasse abgerechnet wird.

Moderat verändert hat sich der Anspruch auf Haushaltshilfe nach § 38 SGB V . Versicherte erhalten dann Haushaltshilfe, wenn ihnen die Weiterführung des Haushaltes wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung der Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt nicht möglich ist, allerdings nur noch für 4 Wochen.

Neuere Modellvorhaben – wie z.B. ein trägerübergreifendes Budget im Sinne des § 35 a SGB XI werden Anlass für die nächste Reform sein, denn nach der Reform ist vor der Reform.

[1] Pflege Neuausrichtungsgesetz zum 01.01.2013; BGBl I 2012, 2246
Drei Pflegestärkungsgesetze zwischen 2008 und 2017- BGBl I 2015 , 2424 PSG II